Donnerstag, 30. Januar 2020

Vom Wandel des Reisens

Neulich suchte ich nach einer App im Internet. Ein Freund hatte sie mir empfohlen. Dumm nur, daß ich mir den Namen nicht gemerkt hatte. Und wer kennt das nicht, was nun folgte: stundenlanges Suchen, das Abklappern von Google Suchergebnissen und plötzlich findet man sich auf Seiten wieder, die sich alle irgendwie ähneln. Ich laß eine Liste nach der anderen über die angesagtesten Reise Apps; die Apps die man in 2020 unbedingt fürs Reisen braucht oder die Apps, die einem das Reisen so wunderbar einfach machen. Was ich suchte war nicht dabei. Aber es beschlich mich mal wieder das Gefühl, daß alle entweder voneinander abschreiben oder sich die App Hersteller die Erwähnung in Blogbeiträgen und Bestlisten etwas kosten lassen. Die Ergebnisse veranlassten mich dazu, diesen Beitrag zu schreiben. Keine Angst, Ihr bekommt nicht unsere best off der allertollsten Reise Apps zu lesen, sondern dies wird eher ein „Früher war vielleicht nicht alles besser, aber definitiv anders- Beitrag“.

Als ich 2005 in die große weite Welt auszog, nicht um das Fürchten aber um das Leben kennenzulernen, führte mich mein Weg nach Neuseeland. Schon damals gab es mehrere Wege, diesen mutigen Schritt zu gehen. Entweder im Sorglos Paket, das viele Eltern sich und ihren Kindern gern schnürten indem eine Organisation für viel Geld einen Flug für den Nachwuchs buchte, seelischen Beistand für die ersten Wochen versprach und sich auf die Fahnen schrieb, bei allem Organisatorischem unter die Arme zu greifen (Eröffnung Bankkonto, Jobsuche, Wohnungssuche etc). Andere, so wie ich, buchten sich allein übers Internet ein Backpackerhostel für die ersten paar Nächte und flog einfach runter und ließ sich überraschen. Damals half noch kein Booking.com oder airbnb bei der Suche nach einem Bett, das erledigte man alles irgendwie selbst.

Als ich in Auckland eintraf, rannte nicht jeder mit einem Smartphone vor dem Gesicht durch die Stadt, um den Shuttle in die Stadt oder ein Taxi zu finden und man fand das Backpackerhostel auch ohne google maps. Ich muß gestehen, ich hatte mir eine kleine Skizze und Wegbeschreibung vorher ausgedruckt und führte es auf Papier mit mir rum, Greta würde mich heute dafür schimpfen. Aber damals machte sie vermutlich noch in die Windeln, hat also nicht das Recht, ihre Nase über mich zu rümpfen.

Der auffälligste Unterschied zu heute war das „online sein“. Gerade die Großstädte waren gepflastert mit Internetcafes, die auch immer gut gefüllt waren, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Zum einen traf sich dort die Gaming Community, also Videospieler oder eben Reisende, die ihre nächsten Schritte planten, mit der Heimat skypten oder, so wie ich, ihre vorher handgeschriebenen Reiseberichte entweder in Emails verpackten oder auf einem Blog veröffentlichten. Internetzeit kostete noch richtig viel Geld und so kam ich immer vorbereitet, um möglichst viel schaffen zu können. Nebenbei holte man noch die Fotos von seiner Kamera und speicherte sie entweder auf einer externer Festplatte oder brannte sie auf CD ROM. Diesen Service boten zwar auch einige Internetcafes oder Fotoläden an, aber ich nutzte dies nie. War mir einfach zu teuer.

Die meisten Backpackerhostel stellten ebenfalls eine handvoll internetfähige Rechner in ihren Gemeinschaftsräumen zur Verfügung, aber erstens war dort die Internetzeit noch viel teurer, oft zahlte man für ein bestimmtes Volumen an MB (nein, keine Gigabite!) und die Rechner waren meistens besetzt. Die Zeit im Hostel war immer irgendwie sozial, wenn man sich nicht gerade im Zimmer in seinem Bett verkroch. Niemand starrte auf sein Handy oder seinen Laptop sondern war gesprächsbereit. Mit einem Buch in der Hand fiel man bereits auf und verkroch sich in eine Ecke. Diese Zeit war einfach toll, man kam mit Leuten ins Gespräch, tauschte Reiseziele und Tipps und Tricks aus und lernte neue Reisebekanntschaften kennen. Viele können sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Betritt man den Gemeinschaftsraum eines hostels, ist er entweder leer oder gespenstig leise, weil jeder mit sich selbst beschäftigt ist und alle wie Zombies in ihre kleinen Bildschirme starren.

Der Kindle wurde 2007 erfunden und war erst ab dem späten 2009 außerhalb der USA verfügbar. Da ich gern lese und Bücher im allgemeinen über Tauschecken in den hostels sehr leicht verfügbar waren, hatte ich recht bald eine ganze Bücherkiste angesammelt, die ich in meinem alten klapprigen Subaru umherfuhr. Irgendwie wurden es nie weniger, sondern immer mehr Bücher. Auch dies kann man sich heute nicht mehr vorstellen, wo man Bücher sogar auf dem Smartphone lesen kann, was ich mir allerdings nicht vorstellen mag. Ich besitze zwar auch einen Kindle und habe dort eine Bibliothek so groß, daß ich 3 Menschenleben benötige, um all die Bücher zu lesen (man kopiert sich beim Reisen so einiges zusammen), dennoch bevorzuge ich es, ein Buch in meinen Händen zu halten. Auf dem Handy würde ich ein Buch noch nicht mal öffnen, das ist für mich Blasphemie!

Auch das Telefonieren war damals nicht so einfach wie heute, wo man innerhalb Europas preislich überhaupt keine Unterschiede mehr kennt. Das Telefonieren aus Übersee war richtig teuer. Allerdings nur, wenn man blind durch die Welt ging. In Neuseeland konnte man in vielen hostels, Supermärkten, Postfilialen etc sogenannte international calling cards kaufen, die je nach Zielort, unverschämt günstige Preise anboten. Man rief einfach eine zwischengeschaltete Nummer an und zahlte dann pro Minute nur noch ein paar Cent. Plante man einen längeren Aufenthalt im Land, benötigte man eine eigene SIM Card für die Kommunikation im Land selbst (andere Reisende, Jobangebote, Buchen von Unterkünften etc) und eben diese Telefonkarten für den Kontakt mit den Lieben zu Hause. An Whatsapp war damals noch nicht zu denken. Viele mobile Telefone verschickten neben SMS damals zwar schon MMS, aber ich muß gestehen, daß ich das nie genutzt habe. Ich wußte einfach nicht, was ich verschicken sollte. Heute unvorstellbar.

Diese Ansammlung von Anekdoten ließe sich ewig fortsetzen. Was ich aber noch viel spannender finde, ist der Blick noch weiter zurück. Gar nicht soviel früher gab es noch kein Internet und man hielt nur per Post oder Telefon mit der Heimat Kontakt. Und noch ein paar Jahrzehnte vorher hatte gar nicht jeder Haushalt ein Telefon, welches man hätte anrufen können. Man ging also zur Post um dort zu telefonieren. Und als es noch keine Telefone gab, blieb nur der Brief (für ganz dringende Angelegenheiten das Telegramm), der je nach Bestimmungsort wochen- oder sogar monatelang unterwegs war. Machte man damals eine Reise, war man wirklich allein und auf sich gestellt und das Gefühl, ein paar Zeilen aus der Heimat zu lesen, muß unbeschreiblich gewesen sein. Auch für die Daheimgebliebenen müssen die Lebenszeichen aus der Ferne eine enorme Erleichterung gewesen sein.

Und heute? Bekommt man schon Ärger mit den Daheimgebliebenen, wenn man sich nicht sofort nach Landung des Flugzeugs gemeldet hat. Wird man schon unruhig, wenn man weiß, daß doch der Flieger schon längst gelandet sein muß, man aber noch nichts gehört hat. Daß vielleicht eine Kommunikation nicht möglich ist, weil keine mobilen Daten aktiviert sind oder vielleicht sogar der Akku den Geist aufgegeben hat, weil man den ganzen Flug über Musik gehört hat, kommt einem gar nicht mehr in den Sinn.

Haben wir uns zu abhängig gemacht? Vielleicht. Eine Erleichterung sind die meisten technischen Geräte, ihre Funktionen und darauf befindlichen Apps allemal. Allerdings sollten wir die Geräte öfter mal ausschalten oder vielleicht sogar zu Hause lassen. Einfach mal wieder das Leben auf uns wirken lassen. Wie viel spannender ist die Urlaubsreise, wenn man nicht alles im Griff hat und sich einfach mal darauf einlassen muß, was passiert. Welchen Menschen man begegnet, in welche Situationen man gerät und wie man damit umgeht. Ohne Simultanübersetzer, einfach nur mit Händen und Füßen. Ist das für Dich eine erschreckende oder eine prickelnde Vorstellung?

Die gesuchte App habe ich übrigens noch immer nicht gefunden. Da muß ich wohl meinen Freund einfach mal ganz klassisch anrufen und fragen. Oder doch nur eine whatsapp schreiben?

Katja

Freitag, 24. Januar 2020

ganz späte Neujahrsgrüße

Mit einem Lebenszeichen möchten wir das neue Jahr einläuten und hoffen, daß Ihr alle das alte Jahr gebürtig abschließen und verabschieden konntet, um Platz für das kommende Jahr zu schaffen. Nur wer sich von altem Ballast befreit, und hier sprechen wir ausdrücklich von uns zurückhaltenden Gedanken, einschränkenden Glaubenssätzen und liebgewonnenen Gewohnheiten, kann den Kopf freibekommen und sich auf das Neue konzentrieren.

Die letzten Jahre waren wir für den Jahreswechsel immer verreist und feierten in Sylt, Prag und Straßburg. Dieses Silvester war anders, wie auch das gesamte Jahr ganz anders war als die Jahre zuvor. Grund hierfür war, daß wir unseren kleinen Kreis erweitert haben und uns auf Nachwuchs freuten. Die Nachricht kam im November 2018 und wurde sogleich als Weihnachtsgeschenk an die Familie weitergegeben. Die erste Hälfte des Jahres verlief dann mehr oder weniger unspektakulär und war geprägt von Besuchen beim Gynäkologen, Hebammen, Geburtsvorbereitungskursen (genannt Hechelkurs) und dem ganz normalen Wahnsinn in deutschen Amtsstuben. Und wer dachte, daß er sich hochschwanger einfach mal in ein Krankenhaus einliefern läßt, hat in Deutschland noch kein Kind bekommen und weiß daher nicht, daß vielerorts ohne vorherige Anmeldung nichts läuft. Also klappert man in Frage kommende Krankenhäuser ab, die sich alle fleißig ins Zeug legen und ihre Türen und Kreißsäale für potentielle neue Kunden öffnen und wohlklingende Geschichten von entspannten Entbindungen erzählen, die dann meistens sowieso ganz anders verlaufen.

Jamie 3 Wochen alt
Unser Jamie kam dann genau eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin auf die Welt und hat sich damit gegen einen gemeinsamen Geburtstag mit seiner Mama entschieden. Seit Ende Juli sind wir nun also zu dritt und meistern den Alltag zwischen Füttern, Windeln wechseln und dem Versuch, den Kleinen mal länger als nur ne halbe Stunde schlafen zu legen. Da sehnt man sich oft mal an die Anfangszeiten zurück, wo er tagsüber stundenlang schlief und sogar fürs Füttern geweckt werden mußte, weil wir befürchteten, der Kleine würde uns sonst verhungern. Nun ist er bereits 6 Monate und wir reiben uns verdutzt und fragend die Augen; warum ist die Zeit so schnell vergangen? Wir haben es definitiv nicht so eilig!

Der Mangel an Reiseberichten dürfte sich hiermit erklären, schließlich schaffen wir momentan nicht mehr als einen Sonntagsausflug irgendwohin zum Spazierengehen. Aber Jamie wird ja auch älter und betrachtet die Welt inzwischen schon viel interessierter und mit neugierigen Augen. Die ersten Pläne für dieses Jahr sind gemacht und wir werden ihn wohl einfach mal ins kalte Wasser schmeißen müssen, wenn es ums mehrtägige Verreisen geht.

Ausprobiert haben wir es zwar noch nicht, aber wir sind uns nicht so sicher, ob es mit dem Dachzelt ewig so weitergehen kann. Schließlich wird Jamies Platzbedarf nicht kleiner und sein Bewegungsdrang definitiv größer. Auf kurz oder lang werden wir uns leider von unserem Dachzelt trennen und eine Alternative finden müssen. Wie diese aussieht, verraten wir Euch, wenn es soweit ist.

Bis dahin wünschen wir Euch ein gesundes, glückliches neues Jahr und hoffen, daß Ihr Eure Wünsche/ Ziele/ Sehnsüchte erfüllen oder ihnen zumindest ein großes Stück näher kommen könnt. Denkt daran, Sterbende bereuen nicht, dieses oder jene Auto nicht gekauft zu haben, sondern zu wenig Zeit mit ihren Liebsten verbracht zu haben oder ihren größten Sehnsüchten nicht nachgegangen zu sein. Sie hätten lieber diese eine Reise gemacht, diesen blöden Job aufgegeben und gemacht was ihnen wirklich am Herzen liegt oder hätten ihr Leben vielleicht doch lieber als ein Abenteuer gestaltet und nicht alles minutiös vorausgeplant.

In diesem Sinne, seid abenteuerlustig!
Tommy, Katja und Jamie