Die
nächsten Tage verbrachten wir in Nordirland und wir müssen sagen,
daß uns dieser Teil des Landes ganz besonders gut gefallen hat.
Obwohl dieser Ausdruck nicht ganz stimmt, denn Nordirland gehört
schließlich nicht zu Irland, sondern zu Großbritannien. Diese
Teilung Irlands war jahrhundertelang Streitpunk sowohl in
Großbritannien als auch in Irland selbst und die Geschichte ist voll
von Gewalt und nicht parlamentarisch abgesegneten Aktionen gegen den
Gegner. Kurzum, es hat sich keine der beiden Seiten mit Ruhm
bekleckert und eine Gewaltspirale in Gang gesetzt, aus der ein
Ausstieg nur schwer möglich war. Irland erklärte sich durch die
Einführung eines eigenen Parlaments für unabhängig, aber
Nordirland blieb dank einer Volksabstimmung im Vereinigten
Königreich. Im Laufe der Zeit bildete sich der sogenannte
Nordirlandkonflikt heraus, der als Folge von unterschiedlichen
Interessen in Nordirland entfachte. Auf der einen Seite standen die
Unionisten (vorrangig Protestanten), welche die Zugehörigkeit zur
englischen Krone beibehalten wollten. Ihnen gegenüber forderten die
Nationalisten oder Republikaner (meist Katholiken) den Zusammenschluß
mit der Republik Irland. Dieser teils sehr blutige Konflikt wurde
durch das Karfreitagsabkommen 1998 beendet. Geklärt ist die
Situation deswegen noch lange nicht, aber wenigstens hat die sinnlose
Gewalt ein Ende gefunden. Wir waren kurz vor der Europawahl
(einschließlich lokale Wahlen) in Irland und fast jeder
Laternenpfahl ist dort mit Wahlplakaten zugepflastert. Mal liest man
von einem Bekenntnis zu Europa, dann wieder von einem Zusammenschluß
der Republik Irland mit Nordirland und andere möchten, daß alles so
bleibt wie bisher. Wie will man da Konsens schaffen?
Besonders
blutig ging es in der Stadt Londonderry zu, wo Protestanten und
Katholiken immer wieder provozierend aufeinander trafen. Da selbst
die Polizei nicht im Stande war, die Unruhen aufzulösen wurde die
Hilfe der britischen Armee angefordert (1969). Auch 1972 erlangte
Londonderry traurige Berühmtheit, bekannt unter der Bezeichnung
„Blutsonntag“ (U2 besangen die Ereignisse in ihrem Hit sunday
bloody sunday). Mitglieder des britischen Militärs erschossen 14
Zivilisten während einer Demonstration für Bürgerrechte, was in
der Erstürmung und Brandlegung der britischen Botschaft in Dublin
endete. Die IRA (Irish Republican Army) verübte zahlreiche Rache
Anschläge.
Wir
waren in Londonderry und zugegebenermaßen handelt es sich um keine
besonders schöne Stadt, weswegen wir uns dort auch nicht besonders
lange aufhielten. Sehr interessiert haben uns aber die zahlreichen
Wandmalereien im Stadtviertel Bogside, Schauplatz der blutigsten
Zusammenstöße während des Konflikts. Ihre politische Aussage ist
nicht zu übersehen, genauso wie der Schmerz der Stadt, den man
teilweise noch zu spüren glaubt. Hier und da erspäht man Poster /
Aufkleber mit dem Aufruf zur Rebellion, Werbung für die IRA oder
Verschmähung der Briten bzw. der britischen Armee.
Aus
einem anderen Grund ist uns Londonderry in Erinnerung geblieben. Daß
die Iren Musik mögen und in den Pubs regelmäßig gute Musik
gespielt wird, dürfte den meisten Besuchern bekannt sein. Aber auch
Mittags in einem Café? Der Hunger trieb uns ins Sandwich & Co
und bereits auf der Straße begrüßte uns laute Musik, die aus der
Lokalität strömte. Wir fanden einen Platz und es ist verwunderlich,
daß wir die bestellten Speisen und Getränke bekamen, da eine
Verständigung mit der Bedienung kaum möglich war.
Auf
dem Weg von Dublin nach Belfast machten wir einen Übernachtungsstop
in Annalong und über diesen Ort gibt es nicht wirklich viel zu
sagen. Die Infrastruktur ist überschaubar, die Tankstelle und
anliegender Lebensmittelshop bilden den Mittelpunkt. Dort befindet
sich auch der einzige Geldautomat. Da wir beide gern durch Hafen
spazieren und Boote fotografieren, fanden wir in Annalong trotz der
hochgeklappten Bürgersteige noch willige Fotomotive bis uns das
schwindende Tageslicht aufforderte, zur Unterkunft zurückzukehren.
Die
Mourne Coastal Route hat einige kleine Schmankerl zu bieten, die es
Wert gewesen wären, näher erkundet zu werden. Aber Zeit und Wetter
ließen dies oft nicht zu. Wir kamen durch sehr kleine und entlegene
Ortschaften mit teilweise nur ein paar Häusern und die Straßen
wurden immer abenteuerlicher und schmaler.
In
Belfast erkundeten wir das Titanic Quarter, wo sich Tommy sehr für
das Dock der Titanic interessierte. Dort hineinlaufen oder zumindest
hineinsehen zu können, hätte eine Ahnung von der Größe des damals
größten Passagierschiffes geben können. Leider ist das Dock als
solches nur noch in der Fläche vorhanden, aber eben nicht mehr
räumlich in seiner Tiefe. Da dort auch das Schwesterschiff Olympic
gebaut wurde, wäre die vergebene Fläche einfach zu groß gewesen.
Aufgeschüttet als Ebene läßt sich das Dock noch für größere
Events nutzen und ist aus städtebaulicher Sicht nicht komplett
verloren. Ich glaube wenn man das Museum besucht (was wir nicht
taten), bekommt man durch Filmaufnahmen eine gute Vorstellung von der
Größe des Hafenbeckens von Titanic / Olympic.
Ein
paar Meter entfernt vom Museum befindet sich ein noch erhaltenes
flutbares Dock (= Hamilton Dock) der SS Nomadic, dem letzten
erhaltenen Schiff der White Star Line Reederei, dem auch die Titanic
angehörte. Die SS Nomadic diente als Tender, also Beiboot für
Olympic und Titanic und brachte somit Passagiere und Versorgungsgüter
an Board, wenn die riesigen Schiffe nicht in die zu kleinen Häfen
einlaufen konnten.
Im
Titanic Quarter befinden sich auch die Titanic Film Studios, die
Belfast´s Aufstieg im internationalen Film- und Fernsehgeschäft
bewerkstelligten. Der größte Erfolg für Nordirland und die Titanic
Studios kann gleich nebenan in einer Ausstellung bestaunt werden:
die Erfolgsserie Game of Thrones, die zwar auch an anderen Locations
gedreht wurde, aber eben einen Großteil ihres Erfolges auch den
wunderschönen Landschaften Nordirlands zu verdanken hat. Katja ist
ein großer Fan der Serie, aber da Tommy noch keine einzige Minute
von Game of Thrones gesehen hat, blieb ein Besuch der Ausstellung
aus.
Im
Großen und Ganzen ist Belfast als Stadt sehr enttäuschend. Gut, wir
sind eben keine Stadtmenschen und bevorzugen immer die Natur und
Abgeschiedenheit, aber leider gibt es in Belfast nichts wirklich
sehenswertes. Die Stadt ist laut, dreckig und versprüht den Charme
einer verkommenen Industriestadt. Wir hielten uns nicht lange dort
auf und besuchten lieber die Perlen Nordirlands, wobei wir noch sehr
viel mehr Zeit dort hätten verbringen können.
1.
Giants Causeway
Das
Highlight der Causeway Küste ist zweifelsohne der Giants Causeway
oder der Damm der Riesen. Hierbei handelt es sich um ein natürliches
Phänomen und nicht wenige Besucher werden sich fragen, wie es zur
Entstehung der knapp 40.000 recht gleichmäßig geformten
Basaltsäulen gekommen ist. Die meisten der Säulen sind sechseckig
und die größten der Säulen sind sage und schreibe zwölf Meter
hoch. Geologen zufolge sind die Basaltsäulen das Resultat
abkühlender Lava, was sehr langsam und gleichmäßig geschehen muß.
Wikipedia sagt hierzu: „Die Säulenstruktur bildet sich dabei aus
langsam in das Material hineinlaufenden Spannungsrissen. Diese
entstehen durch die Abkühlung und Schrumpfung des Materials und
breiten sich senkrecht zur Abkühlungsfläche aus Der Vulkan, dessen
Lava zur Formation des Giant’s Causeway führte, ist
mittlerweile durch Erosion abgetragen.“
Eine
Legende zur Entstehung gibt es natürlich auch und wer sich mit
geologischen Erklärungen schwertut, findet hier eine unterhaltsame
Alternative. Grund für die Entstehung dieser Legende ist
wahrscheinlich die Tatsache, daß ähnliche Formationen an der Küste
Schottlands (Fingal´s Cave auf der Insel Staffa) gefunden wurden.
Der Damm wurde demnach vom Riesen Fionn mac Cumhaill (Finn MacCool)
gebaut, um mit seinem schottischen Widersacher Benandonner zu
duellieren, der ihn zuvor stark beleidigt hatte. Er riss riesige
Felsen aus den Klippen der Küste heraus und stemmte sie in das Meer,
um einen sicheren Weg nach Schottland zu bauen (beide konnten nämlich
nicht schwimmen).
Als
sich Benandonner für den Kampf auf den Weg gemacht hatte, bekam
Fionn Zweifel und suchte nach einem Ausweg, nicht kämpfen zu müssen.
Er verkleidete sich als Baby und als sein Rivale eintraf, waren nur
seine Frau und das angebliche Baby zu Hause. Als er dieses erblickte,
erschrak Benandonner fürchterlich wegen seiner Größe und
schlußfolgerte daß der Vater selbst unter Riesen ein Gigant sein
müsse. Er ergriff die Flucht zurück nach Schottland und zerstörte
bei seinem Rückzug den zuvor gebauten Damm.
Unser
Tipp für Fotografen oder Besucher, die dieses Schauspiel nicht mit
hundert anderen Touristen teilen möchten: Der Besuch des Giants
Causeway ist ohne Eintritt möglich, jedoch zahlt man für den
Parkplatz 12,50 Pfund, was einem versteckten Eintrittsgeld
gleichkommt. Das Besucherzentrum schließt 18 Uhr (bitte vorher auf
der Internetseite prüfen, ob das für alle Jahreszeiten gilt) und
danach zahlt man auch für den Parkplatz nichts mehr. Eine Handvoll
Leute war natürlich trotzdem auf den Basaltsäulen unterwegs und
wartete auf einen tollen Sonnenuntergang (leider regnete es), aber
weitaus weniger als während des Tages, wenn auch die Touristenbusse
dort halten. Tagsüber gibt es auch einen kleinen Shuttlebus
(vermutlich gegen Entgelt) der Fußfaule oder Beeinträchtigte die
paar hundert Meter zu der Stelle fährt, wo man die Basaltsäulen
bewundern kann. Abends fährt da fast jeder runter, weil der Bereich
nicht abgesperrt ist. Sehr nervig, wenn man den kleinen Spaziergang
zu genießen versucht oder Bilder der atemberaubenden Landschaft ohne
Autos machen möchte.
2.
Carrick – A – Rede Rope Bridge (Hängebrücke)
Wie
beliebt diese Sehenswürdigkeit vor, sagen wir mal 20 Jahren war,
kann ich leider nicht sagen, aber inzwischen wird sie täglich von
mehreren tausend Besuchern betrachtet und beschritten und dies hat
natürlich wieder mit Game of Thrones zu tun, wurde doch die Brücke
in einer Schlüsselszene der frühen Staffeln verwendet. So
verwundern natürlich auch die Game of Thrones Busse auf dem
Parkplatz nicht, die mit ihren Passagieren die zahlreichen Drehorte
abfahren und aus dem Nähkästchen plaudern. Begibt man sich vom
Parkplatz aus in die entgegengesetzte Richtung zur Brücke, erreicht
man nach ein paar Metern Larrybane, wo früher im Steinbruch weißer
Kalkstein abgebaut wurde. Man genießt einen wunderbaren Ausblick auf
das nicht weit entfernte Sheep Island und kann in der Ferne die
Hängebrücke erkennen.
Aber
worum geht es eigentlich? Die Brücke verbindet das Festland mit
einer kleinen Insel (Carrick Island) und dort schwimmen jedes Jahr
migrierende Lachse auf ihrer Reise gen Westen vorbei. Seit mehr als
350 Jahren haben die Fischerleute der Region eine Seilbrücke
gespannt, um Zugang zu Carrick Island zu erhalten und die Lachse
besser fangen zu können. Die einfachen Seile der Fischerleute sind
einer stabilen, aber dennoch schwingenden Seilbrücke gewichen und
werden nun von mehreren tausend Touristen jährlich nicht nur benutzt
um auf die andere Seite zu gelangen sondern erscheint auf eben so
vielen Selfies, da natürlich auch jeder ein Beweisfoto von dieser
Heldentat mit nach Hause nehmen und irgendwo öffentlich posten
möchte.
Dieser Beitrag ist länger geworden als gedacht, deswegen wird es noch einen 2. Teil (den 2. Streich) geben.
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