Schweden - Finnland -Norwegen an einem Tag
Wir erwachen zu blauem Himmel und Sonnenschein und können es kaum glauben. Allerdings hält die Freude nicht lange an, da es sich im Laufe des Morgens zuzieht. Beim Losfahren ist der Himmel bereits wieder ergraut. Zwar fahren wir heute durch 3 Länder hindurch, weil wir auf dem Weg nach Norwegen kurz den finnischen Zipfel durchqueren, der sich da zwischen Schweden und Norwegen geschoben hat, aber landschaftlich ändert sich nicht viel. Kurz nach Grenzübertritt nach Finnland in Karesuando begegnen wir kurz einem männlichem Rentier mit stattlichem Geweih, aber es geht so schnell, dass wir nicht für ein Foto abbremsen können. Deswegen ist hier der Verkehr auch außerhalb der geschlossenen Ortschaften auf 80kmk/h begrenzt, da wir uns in einem Rentierschutzgebiet befinden, man sie oft erst sehr spät am Straßenrand sieht und ein Kontakt mit ihnen nicht wünschenswert ist. Allerdings geben die Straßen auch oft keine höheren Geschwindigkeiten her, da sie generell in einem schlechteren Zustand sind als in den Nachbarländern. Wir wollen nicht sagen, dass die Fahrt langweilig wäre. Nein das wäre übertrieben, denn Abwechslung gibt es schon. Man sieht mal üppige, mal weniger dichte Birkenwälder, dazwischen immer wieder die irgendwie verkohlt wirkenden Flaschenbürstenkiefern und alles macht den Eindruck, als sei hier entweder ein Sturm durchgefegt oder der Bewuchs aus irgendeinem anderen Grund so niedrig. Wasserpfützen in den unterschiedlichsten Größen am Straßenrand wechseln sich ab mit richtigen Seen und dazwischen gibt es wieder ausgiebiges Sumpfland. Und dann natürlich wieder die Birken und die schmalen Kiefern. Hin und wieder verschwindet mal ein Schotterweg ins Nichts, aber komischerweise ist dieses Nichts oft durch eine Kette oder eine Schranke gesichert. Und durch all dies geht eine Straße hindurch, mal kerzengerade, mal schlängelnd mit einer kleinen Kurve nach links oder rechts und dann gibt es noch die „hui“ Abschnitte, wo es ein paar Mal hoch und wieder runter geht. Bei uns heißt das nur „hui“, weil sich das ein bisschen anfühlt wie auf einer Achterbahn.
Abgesehen von der nächtlichen Erschlagung von 3 Mücken haben wir gut geschlafen und erwachen zu Sonnenschein. Noch während des Frühstücks setzt das Déjà-vu ein, es beginnt zu regnen und kurzzeitig donnert sogar der Hagel auf unser Dach. Was ist denn nun los? Am Himmel offenbart sich ein interessantes Schauspiel, denn schaut man in die Richtung, wo wir gestern hergekommen sind, ist der Himmel dunkelgrau, in der heutigen Fahrtrichtung ist der Himmel blau und die Sonne scheint. Na gut, dann nichts wie los. Erstes Etappenziel ist die Stadt Alta, dort ist die 93 zu Ende und geht in die E6 über. Das Wetter ist heute sehr durchwachsen, Regen und Sonne wechseln sich regelmäßig ab, als könnten sie sich nicht entscheiden, wer denn heute Vorrang hat. Ein paar Kilometer vor Alta fahren wir durch den sehr beeindruckenden Alta Canyon und Katja kommt aus dem Filmen und Staunen gar nicht mehr heraus. Tommy ist wahrscheinlich froh, dass wir bergab fahren und unseren Ludwig dort nicht hochscheuchen müssen. Alta ist mit seinen 21.000 Einwohnern gar nicht mal so klein und so viel Geschäftigkeit sind war gar nicht mehr gewohnt. Wir kaufen fix was ein und dann geht es weiter auf der E6.
Heute wollen wir es wissen, wir schaffen die 200km, das haben wir uns fest vorgenommen! Wir brechen auf und machen einen kurzen Servicestopp in Skaidi, wo wir Ludwig nochmal volltanken und entsorgen. Man merkt sofort, dass wir uns auf dem Weg zum Nordkap befinden, uns kommen haufenweise Wohnmobile entgegen. Und man weiß genau, wer hier oben rumfährt, hat nur ein Ziel und befindet sich entweder auf dem Weg dorthin oder kommt wieder zurück. Ab Smørfjord sind es noch 129km und die haben es wirklich in sich. Den ganzen Weg bis nach Honningsvåg schlengeln wir uns am Fjord entlang und geniessen eine fantastische Aussicht auf das dunkelblaue Europäische Nordmeer, schneebedeckte Berge im Hintergrund, kleine hervorstehende Halbinseln und überall verstreut stehen die kleinen Holzhütten, tanzen kleine Boote übers Wasser und streifen Rentierherden entweder in der Ferne und manchmal auch strassennah bei ihrer Nahrungssuche umher.
Unser Navi
ist mal wieder verwirrt und zeigt 38km weniger an als die Straßenschilder und
wir wundern uns bereits, welchen mysteriösen alternativen Weg sie (ihr erinnert
Euch, es ist eine sie) zum Nordkap gefunden hat. Die Aufklärung folgt. Wir
haben heute einige Schleicher vor uns und Tommy überholt sie nach langen
geduldigen Phasen, weil man sich das irgendwann einfach nicht mehr antun kann.
Da ist die Französin in ihrem Van, die bevorzugt die Mitte der Straße benutzt,
das (erste) türkische Wohnmobil, das nicht so recht aus der Soße kommt und dann
noch ein Spanier in seinem Mietwohnmobil, der ganz offensichtlich mit der Größe
des Autos überfordert ist und ebenfalls die Mitte der Straße bevorzugt. Das ist
alles nicht so schlimm, es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel
gefallen, aber man könnte wenigstens hin und wieder mal rechts ranfahren und
die Kolonne vorbeifahren lassen. Dann gibt es noch PKW, die theatralisch
überholen, weil ihnen die vorgeschriebenen 80km/h nicht schnell genug sind,
dann im Tunnel aber nicht aus der Soße kommen, wo wir bei 9% Steigung unseren
Schwung nicht verlieren möchten, um ein Runterschalten in den 2. Gang zu
vermeiden. Im Übrigen gibt es zig Fahrradfahrer, mit denen man sich die enge
und teils kaputte Straße auch noch teilt, die vollbeladen bei den Steigungen
über die halbe Fahrbahn wackeln und ebenfalls durch die 4 Tunnel durchmüssen.
Der eine Tunnel wurde sogar mit Fahrradspur gebaut. Welch ein Fortschritt, sich
knappe 3km durch den Kohlendioxid versuchten Tunnel zu quälen! Wir können es
nachvollziehen, dass man seine gesteckten Ziele erreichen möchte und da zählt
vielleicht auch das Erreichen des Nordkaps mit dem Fahrrad dazu, aber ist es
das wert, seine Gesundheit so dermaßen aufs Spiel zu setzen? Wenn man bedenkt,
wie die Reisebusse über die enge Piste donnern, da übersieht man schnell mal
ein Fahrrad….
Als wir in Honningsvåg ankommen und links zum Nordkap abbiegen möchten (es sind noch 38km), schickt uns das Navi rechts. Sie ist also tatsächlich der Meinung, wir seien schon angekommen. Okay, viele Touren starten von hier, Kreuzfahrtschiffe (auch die Hurtigruten Schiffe) liegen hier vor Anker und die Passagiere steigen auf Busse um aber das Nordkap ist es trotzdem nicht. Hier nun steht uns der erste Anstieg bevor und irgendwie wirkt die Straße, als sei sie noch nicht so ganz fertig. Da fehlt an einigen Abschnitten sogar die Leitplanke und es geht tief nach unten! Es werden immer mehr Wohnmobile und es sind wahnsinnig viele Deutsche. Man hat das Gefühl, dass halb Deutschland gerade am Nordkap oder auf dem Weg dorthin ist und dieses Gefühl bestätigt sich später auf dem Parkplatz. Oben auf dem Plateau fährt es sich wieder sehr angenehm durch das herrliche Gebirgspanorama, auf beiden Seiten befinden sich Seen unterschiedlicher Größe oder ausgiebige Sumpflandschaften und dazwischen sieht man immer wieder grasende Rentierherden, die sich an den Verkehrswahnsinn scheinbar gewöhnt haben.
Und irgendwann sehen wir in der Ferne den Parkplatz zum Nordkap und bereits von hier können wir erkennen, wie voll er ist. 70% der Fahrzeuge sind Wohnmobile oder Vans und davon sind 70% Deutsche. Der Parkplatz ist holprig und steinig und hat keine eingezeichneten Parkflächen, wir ergattern einen Platz in der zweiten Reihe und bevor wir hinausgehen, holen wir noch ein paar extra Klamotten aus dem Schrank. Jeder kennt den Globus, den bringt jeder mit dem Nordkap in Verbindung. Wir gehen absichtlich nicht dorthin, weil es so voll ist und wir sowieso kein gescheites Bild machen können. Wir laufen umher, landen irgendwann im Souvenirshop, wo wir natürlich auch etwas kaufen und lassen uns dann im Café nieder, wo wir eine Kleinigkeit zu uns nehmen. Viele bezeichnen das Nordkap als Touristenfalle weil man 390 NOK Eintritt für Galerie, Ausstellung und den kurzen Kinofilm bezahlt, Dinge die man sich im unterirdischen Teil des Besucherzentrums anschauen kann. Das sind Attraktionen, die man nicht besuchen muss, das Gebäude (inkl. Café, Shop, Toiletten, Bar etc) sind ohne Eintritt betretbar und man hat von drinnen einen herrlichen Ausblick auf das Globus Spektakel draussen. Das Parken ist umsonst, auch über Nacht und da können wir ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, worüber man sich beschweren sollte.
Später
machen wir dann doch noch Fotos am Globus, auch wenn es nicht weniger Menschen
geworden sind und dann stecken wir Jamie nach dem Abendessen ins Bett. Wir
gehen dann beide nochmal getrennt zum Fotografieren und erleben den Wahnsinn
auch zur Nachtzeit. Denn als Katja 22:30 Uhr nochmal zum Globus läuft, stehen
da immer noch (oder schon wieder) 9 Reisebusse, vermutlich von den
Kreuzfahrtschiffen. Also wieder nix mit ungestört Fotos machen. Der Parkplatz
ist zur Nachtzeit fast noch voller als tagsüber und es stehen hier geschätzt
150-200 Wohnmobile.
Wir haben gut geschlafen und wachen recht spät auf. Da haben uns bereits einige „Nachbarn“ verlassen. Da wir einige Zuhause - Gebliebenen mit Postkarten erfreuen möchten, gehen wir nochmal zum Souvenirladen, kaufen Postkarten und Briefmarken und unser norwegisches Bargeld (welches wir loswerden möchten) reicht auf die Krone genau aus.
Danach fahren wir zurück, machen aber noch ein paar Fotostopps und halten für eine längere Erkundungstour in Honningsvåg. Schließlich brauchen wir noch ein paar Fotos von den Kreuzfahrtschiffen, den kleinen Fischerbooten und was sich sonst noch als geduldiges Motiv zur Verfügung stellt. Da wir im Ort selbst nichts zum Parken finden, müssen wir ein kleines Stück außerhalb parken und dementsprechend hat das ganze gedauert. Als wir am Ludwig ankommen, ist es schon 17 Uhr und unser anvisierter Stellplatz ist noch circa 60km entfernt.
Also los geht’s. Es zieht sich aber wenigstens haben wir keine Schleicher vor uns. Der Stellplatz ist nicht sehr groß und er ist bei unserer Ankunft blöderweise bereits voll belegt. Aber es ist noch Platz am Ende des geteerten Weges und Tommy parkt extra so herum, dass der letzte Van in der regulären Parkreihe noch bequem herausfahren kann. Katja meint noch, dass da bestimmt noch jemand kommt und sich neben uns quetscht und so passiert es auch eine halbe Stunde später. Der Italiener fährt aber vorwärts in die Lücke (wir stehen rückwärts, mit Überhang nach hinten) und sein Hinterteil blockiert den letzten Van. Was ihn aber nicht sonderlich zu stören scheint. Dann schließt er noch vorwurfsvoll und ganz demonstrativ seine Jalousien, weil wir ja immerhin ganz schön nahe an seinem Zuhause stehen und das empfindet er wahrscheinlich als etwas übergriffig. Leute gibt’s! Später herrscht viel Aufregung auf dem Parkplatz und wir hören unseren italienischen Nachbarn seiner Frau zurufen, „Delfini, Delfini!“ und tatsächlich, da schwimmt eine kleine Gruppe Delfine durch die Bucht. Wahrscheinlich die gleichen, die Tommy bereits bei der Herfahrt hat herumschwimmen sehen. Sie verbringen viel Zeit in der Bucht, schwimmen von einem Ende zum anderen, hin und wieder springen sie und Katja glaubt, dass sie jagen und Fische zusammentreiben. Dafür würde sprechen, dass auch einige Möwen dem Spektakel beiwohnen. Wir genießen das Schauspiel, Katja schaut nur, Tommy versucht, Videos oder Bilder zu bekommen und man kann sich einfach nicht satt sehen an dieser Verspieltheit und Leichtigkeit, mit der sie durchs Wasser ziehen.
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