Neulich suchte ich nach einer App im Internet. Ein Freund hatte sie
mir empfohlen. Dumm nur, daß ich mir den Namen nicht gemerkt hatte.
Und wer kennt das nicht, was nun folgte: stundenlanges Suchen, das
Abklappern von Google Suchergebnissen und plötzlich findet man sich
auf Seiten wieder, die sich alle irgendwie ähneln. Ich laß eine
Liste nach der anderen über die angesagtesten Reise Apps; die Apps
die man in 2020 unbedingt fürs Reisen braucht oder die Apps, die
einem das Reisen so wunderbar einfach machen. Was ich suchte war
nicht dabei. Aber es beschlich mich mal wieder das Gefühl, daß alle
entweder voneinander abschreiben oder sich die App Hersteller die
Erwähnung in Blogbeiträgen und Bestlisten etwas kosten lassen. Die
Ergebnisse veranlassten mich dazu, diesen Beitrag zu schreiben. Keine
Angst, Ihr bekommt nicht unsere best off der allertollsten Reise Apps
zu lesen, sondern dies wird eher ein „Früher war vielleicht nicht
alles besser, aber definitiv anders- Beitrag“.
Als ich 2005 in die
große weite Welt auszog, nicht um das Fürchten aber um das Leben
kennenzulernen, führte mich mein Weg nach Neuseeland. Schon damals
gab es mehrere Wege, diesen mutigen Schritt zu gehen. Entweder im
Sorglos Paket, das viele Eltern sich und ihren Kindern gern schnürten
indem eine Organisation für viel Geld einen Flug für den Nachwuchs
buchte, seelischen Beistand für die ersten Wochen versprach und sich
auf die Fahnen schrieb, bei allem Organisatorischem unter die Arme zu
greifen (Eröffnung Bankkonto, Jobsuche, Wohnungssuche etc). Andere,
so wie ich, buchten sich allein übers Internet ein Backpackerhostel
für die ersten paar Nächte und flog einfach runter und ließ sich
überraschen. Damals half noch kein Booking.com oder airbnb bei der
Suche nach einem Bett, das erledigte man alles irgendwie selbst.
Als ich in Auckland
eintraf, rannte nicht jeder mit einem Smartphone vor dem Gesicht
durch die Stadt, um den Shuttle in die Stadt oder ein Taxi zu finden
und man fand das Backpackerhostel auch ohne google maps. Ich muß
gestehen, ich hatte mir eine kleine Skizze und Wegbeschreibung vorher
ausgedruckt und führte es auf Papier mit mir rum, Greta würde mich
heute dafür schimpfen. Aber damals machte sie vermutlich noch in die
Windeln, hat also nicht das Recht, ihre Nase über mich zu rümpfen.
Der auffälligste
Unterschied zu heute war das „online sein“. Gerade die Großstädte
waren gepflastert mit Internetcafes, die auch immer gut gefüllt
waren, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Zum einen traf sich
dort die Gaming Community, also Videospieler oder eben Reisende, die
ihre nächsten Schritte planten, mit der Heimat skypten oder, so wie
ich, ihre vorher handgeschriebenen Reiseberichte entweder in Emails
verpackten oder auf einem Blog veröffentlichten. Internetzeit
kostete noch richtig viel Geld und so kam ich immer vorbereitet, um
möglichst viel schaffen zu können. Nebenbei holte man noch die
Fotos von seiner Kamera und speicherte sie entweder auf einer
externer Festplatte oder brannte sie auf CD ROM. Diesen Service boten
zwar auch einige Internetcafes oder Fotoläden an, aber ich nutzte
dies nie. War mir einfach zu teuer.
Die meisten
Backpackerhostel stellten ebenfalls eine handvoll internetfähige
Rechner in ihren Gemeinschaftsräumen zur Verfügung, aber erstens
war dort die Internetzeit noch viel teurer, oft zahlte man für ein
bestimmtes Volumen an MB (nein, keine Gigabite!) und die Rechner
waren meistens besetzt. Die Zeit im Hostel war immer irgendwie
sozial, wenn man sich nicht gerade im Zimmer in seinem Bett verkroch.
Niemand starrte auf sein Handy oder seinen Laptop sondern war
gesprächsbereit. Mit einem Buch in der Hand fiel man bereits auf und
verkroch sich in eine Ecke. Diese Zeit war einfach toll, man kam mit
Leuten ins Gespräch, tauschte Reiseziele und Tipps und Tricks aus
und lernte neue Reisebekanntschaften kennen. Viele können sich das
heute gar nicht mehr vorstellen. Betritt man den Gemeinschaftsraum
eines hostels, ist er entweder leer oder gespenstig leise, weil jeder
mit sich selbst beschäftigt ist und alle wie Zombies in ihre kleinen
Bildschirme starren.
Der Kindle wurde
2007 erfunden und war erst ab dem späten 2009 außerhalb der USA
verfügbar. Da ich gern lese und Bücher im allgemeinen über
Tauschecken in den hostels sehr leicht verfügbar waren, hatte ich
recht bald eine ganze Bücherkiste angesammelt, die ich in meinem
alten klapprigen Subaru umherfuhr. Irgendwie wurden es nie weniger,
sondern immer mehr Bücher. Auch dies kann man sich heute nicht mehr
vorstellen, wo man Bücher sogar auf dem Smartphone lesen kann, was
ich mir allerdings nicht vorstellen mag. Ich besitze zwar auch einen
Kindle und habe dort eine Bibliothek so groß, daß ich 3
Menschenleben benötige, um all die Bücher zu lesen (man kopiert
sich beim Reisen so einiges zusammen), dennoch bevorzuge ich es, ein
Buch in meinen Händen zu halten. Auf dem Handy würde ich ein Buch
noch nicht mal öffnen, das ist für mich Blasphemie!
Auch das
Telefonieren war damals nicht so einfach wie heute, wo man innerhalb
Europas preislich überhaupt keine Unterschiede mehr kennt. Das
Telefonieren aus Übersee war richtig teuer. Allerdings nur, wenn man
blind durch die Welt ging. In Neuseeland konnte man in vielen
hostels, Supermärkten, Postfilialen etc sogenannte international
calling cards kaufen, die je nach Zielort, unverschämt günstige
Preise anboten. Man rief einfach eine zwischengeschaltete Nummer an
und zahlte dann pro Minute nur noch ein paar Cent. Plante man einen
längeren Aufenthalt im Land, benötigte man eine eigene SIM Card für
die Kommunikation im Land selbst (andere Reisende, Jobangebote,
Buchen von Unterkünften etc) und eben diese Telefonkarten für den
Kontakt mit den Lieben zu Hause. An Whatsapp war damals noch nicht zu
denken. Viele mobile Telefone verschickten neben SMS damals zwar
schon MMS, aber ich muß gestehen, daß ich das nie genutzt habe. Ich
wußte einfach nicht, was ich verschicken sollte. Heute
unvorstellbar.
Diese Ansammlung von
Anekdoten ließe sich ewig fortsetzen. Was ich aber noch viel
spannender finde, ist der Blick noch weiter zurück. Gar nicht soviel
früher gab es noch kein Internet und man hielt nur per Post oder
Telefon mit der Heimat Kontakt. Und noch ein paar Jahrzehnte vorher
hatte gar nicht jeder Haushalt ein Telefon, welches man hätte
anrufen können. Man ging also zur Post um dort zu telefonieren. Und
als es noch keine Telefone gab, blieb nur der Brief (für ganz
dringende Angelegenheiten das Telegramm), der je nach Bestimmungsort
wochen- oder sogar monatelang unterwegs war. Machte man damals eine
Reise, war man wirklich allein und auf sich gestellt und das Gefühl,
ein paar Zeilen aus der Heimat zu lesen, muß unbeschreiblich gewesen
sein. Auch für die Daheimgebliebenen müssen die Lebenszeichen aus
der Ferne eine enorme Erleichterung gewesen sein.
Und heute? Bekommt
man schon Ärger mit den Daheimgebliebenen, wenn man sich nicht
sofort nach Landung des Flugzeugs gemeldet hat. Wird man schon
unruhig, wenn man weiß, daß doch der Flieger schon längst gelandet
sein muß, man aber noch nichts gehört hat. Daß vielleicht eine
Kommunikation nicht möglich ist, weil keine mobilen Daten aktiviert
sind oder vielleicht sogar der Akku den Geist aufgegeben hat, weil
man den ganzen Flug über Musik gehört hat, kommt einem gar nicht
mehr in den Sinn.
Haben wir uns zu
abhängig gemacht? Vielleicht. Eine Erleichterung sind die meisten
technischen Geräte, ihre Funktionen und darauf befindlichen Apps
allemal. Allerdings sollten wir die Geräte öfter mal ausschalten
oder vielleicht sogar zu Hause lassen. Einfach mal wieder das Leben
auf uns wirken lassen. Wie viel spannender ist die Urlaubsreise, wenn
man nicht alles im Griff hat und sich einfach mal darauf einlassen
muß, was passiert. Welchen Menschen man begegnet, in welche
Situationen man gerät und wie man damit umgeht. Ohne
Simultanübersetzer, einfach nur mit Händen und Füßen. Ist das für
Dich eine erschreckende oder eine prickelnde Vorstellung?
Die gesuchte App
habe ich übrigens noch immer nicht gefunden. Da muß ich wohl meinen
Freund einfach mal ganz klassisch anrufen und fragen. Oder doch nur
eine whatsapp schreiben?
Katja
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