Die Ankunft in Norwegen und Lindesnes
Wie für uns üblich, haben wir
keine vorgeplante Route, die wir verfolgen. Wir haben zwar zwei Reiseführer vom
Wohnmobil Verlag gekauft, die den Süden und den Norden Norwegens recht
detailliert abdecken, aber man benötigt eben auch Zeit, diese zu lesen. Wir
stöbern meistens abends in den Reiseführern, wenn wir die nächsten Tage planen.
Das Dilemma, sofort nach Verlassen der Fähre eine grundlegende Entscheidung
entweder für die Fjorde im Westen oder die Inlandsroute über Oslo treffen zu
müssen, war uns in seiner ganzen Tragweite so nicht bewusst. Warum es sich
hierbei um ein Dilemma handelt, werden wir an passender Stelle näher beleuchten
und möchten es hier nicht vorwegnehmen.
Unsere Fährverbindung von Hirtshals (Dänemark) führt uns mit der Colour Line in 4 Stunden nach Kristiansand in Norwegen. Hier der erste kleine Aufreger (von dem wir allerdings im Reiseführer gelesen hatten): die Reederei besteht auf ein Abstellen der Gasanlage, deren Betrieb ist selbst mit eingebautem Crash-Sensor (wo sich das Gas automatisch abstellen sollte) nicht gestattet. Das bedeutet, dass der Kühlschrank für eine ganze Weile nicht läuft. Na wunderbar, wir hatten uns kurz vorher im Skagener Lidl nochmal gut mit Lebensmitteln eingedeckt.
Pünktlich zum Feierabend kommen wir in Norwegen an und es ist dementsprechend viel los auf den Straßen. Wie gut, dass sich nun noch unzählige PKW, Wohnmobile, einige wenige LKW und gar nicht so wenige Motorräder in den Verkehr einfügen. Wir hatten uns tags zuvor bereits für das norwegische Mautsystem online registriert und so fahren wir auf die gebührenpflichtige E39 und verlassen die Stadt Richtung Westen. Bereits am ersten Tag passieren wir 12 Tunnel, die Aussicht ist hinreisend und bei all den kleinen Buchten, roten Bootshäuschen, weiß getünchten Wohnhäusern und der malerischen Landschaft allgemein, kommen wir bereits ins Schwärmen. Irgendwann verlassen wir die E39 und fahren auf ruhigeren Nebenstrecken, die teilweise immer enger und kurviger werden. Dafür wird die Landschaft immer schöner. Wir passieren kleine Orte, die alle ihren Bootsanleger und eine kleine Badestelle haben.
Wir erreichen den südlichsten Punkt Norwegens, Lindesnes mit seinem Leuchtturm Lindesnes fyr und bekommen erstmal einen riesigen Schreck. Im Reiseführer hatte etwas von 100 NOK Parkgebühr gestanden, das ist aber nicht mehr aktuell und so zahlen wir zähneknirschend 300 NOK Übernachtungsgebühr (1 Euro sind ungefähr 11 NOK, somit sprechen wir hier von 25 Euro für einen stinknormalen Parkplatz ohne jeglichen Service). Darin ist wohl der Eintritt für das ganze Gelände, Leuchtturm, Ausstellung etc enthalten, aber das Gelände betreten wir sowieso umsonst, weil niemand mehr im Kassenhäuschen sitzt. Außerdem ist fraglich, ob hier der Eintritt für 3 Personen angerechnet würde.
Egal, wir genießen das Erkunden des Areals, das Klettern auf den Felsen, das
Erforschen der vielen Bunker der Wehrmacht, die durch Gänge miteinander
verbunden sind und sogar eine kleine Bilder Ausstellung von diversen
norwegischen Leuchttürmen. Wer mehr Zeit in der Umgebung verbringen möchte,
kann dies auf 4 verschiedenen Wanderwegen tun und auf dem Felsen gegenüber des
Leuchtturms steht ein Gedenkstein für die Opfer des Abschusses des deutschen
Kriegsgefangenenschiffes MS Palatia vor dem Leuchtturm am 21.10.1942, bei dem
885 sowjetische Kriegsgefangene, 70 deutsche Soldaten und 1 norwegischer Lotse
ums Leben gekommen sind.
Åna-Sira
Nach dem Frühstück und weiterer kleiner Erkundungstour fahren wir weiter und legen einen Teil der Strecke vom Vortag in entgegengesetzter Richtung zurück. Wir wollen wieder auf die E39 aber um dort hinzukommen, quälen wir unseren Ludwig einige enge Straßen hinauf und dann wieder hinunter. Wir fahren einem Engländer in seinem Rechtslenker hinterher und fühlen uns an die Zeit in England zurückversetzt, wo es nicht immer einfach war, auf der „falschen“ Seite enge, schlechte Straßen zu manövrieren. In Lyngdal kaufen wir kurz Brot. Unser heutiges Ziel ist Åna-Sira in Rogaland. Wir haben den Ort für keinen bestimmten Grund ausgewählt, wir schauen einfach ungefähr nach zu fahrenden Kilometern und wenn wir keine Ver- oder Entsorgung oder Strom benötigen, suchen wir im besten Fall nach kostenlosen Plätzen.
Nach Verlassen der Autobahn das gleiche Spiel, Berg hoch, hoffen dass kein Gegenverkehr kommt, sparsam bremsen damit Ludwig´s Bremsen nicht so heiß laufen. Zwischendurch ein paar Baustellen da die Norweger wohl gemerkt haben, dass die Bergstraßen bei dem ganzen Verkehr erweitert werden müssen. Es gibt zwar Ampeln an den Baustellen aber nur weil die Ampel auf grün schaltet, heißt das nicht, dass man auch weiterkommt. Wir beobachten, wie der Bagger riesige Gummimatten aus dem Boden holt, die dort wahrscheinlich vor Jahren verlegt wurden, um dem Boden Haftung zu geben. In Åna-Sira angekommen, stellen wir uns auf den kleinen Parkplatz bei der Kirche und begeben uns zur Badestelle ein paar Meter die Straße runter. Dort verbringen wir den Nachmittag, bis wir einen sehr müden Jamie zwecks Abendessen ins Wohnmobil zurückbeordern müssen.
Stavanger
Obwohl wir direkt an der Straße stehen, verläuft die Nacht ruhig. Anfangs ist sich unser Navi heute Morgen mal wieder nicht so sicher, in welche Richtung wir fahren sollen, und als sie sich entschieden hat (es ist eine sie), scheucht sie uns gleich mal zum Aufwachen einen mega steilen Berg hinauf. Das sollten nicht die einzigen Haarnadelkurven heute bleiben. Bereits gestern Abend haben wir eine längst überfällige längerfristige strategische Planung für Norwegen durchgeführt, denn die Fahrt durch den Westen erfordert viele Tunnel und einige Fähren. All das kostet natürlich Geld und bei unserer Wohnmobillänge (leider über dem Standard von 6m) wird das sehr schnell sehr teuer. Aber die ganze Strecke zurück nach Kristiansand, um dann Oslo hinaufzufahren, wollen wir auch nicht. Also versuchen wir erstmal, so viel wie möglich auf der E39 zu bleiben, Fähren zu nutzen, wo es nicht anders geht und uns dann ins Inland zu begeben. Die Strecke dort wird nicht einfacher werden für unseren Ludwig, schließlich ist das Inland nicht weniger bergig. Wir werden uns überraschen lassen müssen, wir können nicht vorhersagen, welches die beste Option für uns ist.
Heute steuern wir erstmal auf
Stavanger zu und dort haben wir einen Parkplatz gefunden, der zwar nicht
kostenlos ist (210 NOK für 24 Stunden) aber er wird als sicher angepriesen und
befindet sich nicht im Getümmel des Haupthafens. Wir parken und laufen ca. 20
Minuten (Jamie fährt Laufrad) ins Stadtzentrum und sehen die dicke fette AIDA hinter den kleinen Hafenhäuschen. Sie überragt dort einfach alles, Wahnsinn wie
groß dieses Schiff ist! Dementsprechend wurde die Stadt von deutschen Urlaubern
geflutet, überall hört man Deutsch und sogar auf dem Spielplatz findet Jamie
deutsche Kinder zum Spielen. Wir gönnen uns eine Kugel Eis (jeweils 50 NOK!)
und später noch den obligatorischen Kühlschrankmagneten. Jamie beschwert sich,
dass es ihm zu heiß ist und ja, er hat Recht, die Sonne brennt heute mal
wieder. Nach dem Spielplatz hat er plötzlich keine Lust mehr auf weiteres
Sightseeing und so gehen Jamie und Katja schon zum Ludwig zurück, während sich
Tommy noch ein wenig umschaut, aber nichts Weltbewegendes entdeckt. Zurück auf
dem Parkplatz beobachten wir fasziniert, wie selbst bei der Hitze die (so
scheint es) öffentliche Sauna rege genutzt wird und man sich mit einem Sprung
ist eiskalte Hafenbecken abkühlt.
zwei Fähren, zahlreiche Tunnel und voller Stellplatz in Bergen
Den nächsten Tag machen wir, für unsere Verhältnisse, richtig Fortschritt, wir schaffen über 200 Kilometer von Stavanger nach Bergen. Das Fahren ist super entspannt für Tommy, weil wir auf zweispurigen Straßen fahren und nicht ständig nach Gegenverkehr Ausschau halten müssen. Einzig die vielen Tunnel sind eine Herausforderung (wir haben bis jetzt 39 Tunnel gezählt) besonders diejenigen, die unter Wasser führen, denn die Erbauer scheinen das Ziel gehabt zu haben, bis runter zum Erdkern zu gelangen. Solche Unterwassertunnel sind teilweise 14km lang, es geht die Hälfte der Strecke mit einer 8-9%igen Steigung nach unten, um sich anschließend wieder nach oben quälen zu müssen.
Bei der ersten Fähre geht es so schnell, dass wir kaum Zeit haben, irgendwelche Schilder zu lesen, sehen im Augenwinkel noch, dass wir das Gas wieder abstellen müssen, was wir aber diesmal nicht gemacht haben. Wir werden sofort auf die Fähre gewunken, ein junger Mann regelt im besten Englisch die Zahlung mit uns (358 NOK) und den Beleg gibt’s nur noch mit Barcode. Nach knapp 20 Minuten geht’s wieder runter und die Fahrt geht weiter. Die nächste Fähre dauert etwas länger (ca. 45 Minuten) und dort müssen wir ein paar Minuten warten. Katja spricht mit dem Mitarbeiter einer anderen Fähre, der gerade nichts zu tun hat und fragt nach den Zahlungsmodalitäten (sie konnte am Automaten nicht zahlen, weil sie sich nicht zwischen PKW und LKW entscheiden wollte). Geht eigentlich alles automatisch, sagt er, aber wir haben uns nicht für das „Alles automatisch“ bei den Fähren registriert, sondern nur bei der Maut und da sollen wir uns einfach an den Ticketschalter an Board der Fähre wenden. Der Ticketschalter ist nicht besetzt, man sollte bitte im Café nachfragen und so fragt Katja nach dem ersten Ansturm nach, wo sie die Überfahrt bezahlen kann. Geht doch alles automatisch, sagt die gute Frau und sie bleibt dabei, auch nachdem Katja ihr erzählt, dass wir aus Deutschland kommen und nicht für den „auto pass“ registriert sind. Dann kommt irgendwann die Rechnung, das kann schonmal 3-4 Monate dauern. Zwischendurch sagt sie, es würde unserem Bankkonto berechnet, aber das können sie ja ohne Registrierung gar nicht haben. Nun sind wir nicht wirklich schlauer, aber da niemand unser Geld haben wollte, können wir uns nur überraschen lassen. Sie sagte jedenfalls, dass es schon irgendwie klappen wird. Nun gut.
Noch ca. eine halbe Stunde und
wir kommen an unserem Stellplatz in Bergen an, der leider voll ist. Vielleicht
ist Bergen einfach so beliebt und wir haben Pech, vielleicht liegt es auch am
heutigen Nationalfeiertag, denn die meisten Wohnmobile sind aus Norwegen. Ein
langes Wochenende steht an, das könnte länger dauern, bis da was frei wird. Im
Reiseführer werden wir gewarnt, dass die Parksituation für Wohnmobile in Bergen
bescheiden ist und so bleibt uns nichts anderes übrig als uns noch irgendwo
hinzuquetschen und darauf zu vertrauen, dass es gutgehen wird. Für heute planen
wir nichts mehr, das wollen wir Jamie nicht antun und so verschieben wir das
auf morgen (vorausgesetzt, wir können das Womo dann doch noch woanders hin
stellen).
Für den Nationalfeiertag (17.Mai)
wurde bereits im Vorfeld das nötige Equipment zum Kauf angeboten: Norwegen
Fähnchen, ganze Flaggen, Anstecker etc. Die Norweger putzen sich für ihren Tag
gern heraus, die Männer tragen Anzug oder wenigstens Sakko, die Frauen und
bereits kleine Mädchen tragen schöne traditionelle Trachten (bestehend aus
langem Rock, weißer Bluse und bestickten Westen) oder wer sowas nicht hat ein
leichtes Sommerkleid. In den Städten sind ganze Straßenzüge für die
Musikkapellen, Umzüge und dergleichen abgesperrt und deshalb haben wir am
Morgen auch etwas Not, aus Stavanger herauszukommen, denn natürlich ist gerade
unsere Straße auswärts betroffen, sodass Tommy unseren wuchtigen Ludwig durch
vollgeparkte Gassen scheucht und ich wieder nur entsetzt die Hände über dem
Kopf zusammen schlage. Kurz nach Stavanger besuchen wir übrigens noch die 3
großen Schwerter (Sverd i fjell), ein Fotostopp von 15 Minuten, dann geht’s
weiter. Hier hat irgendwann mal eine große Wikingerschlacht stattgefunden,
sowas passierte hier oben bekanntlich öfter.
Olden, irgendwo an einem Fjord
Es hätte ja klappen können. Hat es aber nicht. Wir werden so gegen 7:30 Uhr von Stimmen draußen wach. Tommy sieht einen älteren Herren, der umher läuft und Bilder von den Wohnmobilen macht, die da auf (wahrscheinlich seinem) Privatgrundstück stehen. Kann also sein, dass wir da irgendwann mal Post bekommen werden. Wir sind bedient, packen alles zusammen und verlassen noch ohne Frühstück das Areal. Leider ist es noch viel zu früh, von den anderen (genehmigten) Parkplätzen ist noch nichts frei geworden und somit haben wir keine Bleibe für unseren Ludwig während unserer Stadtbesichtigung. Die fällt somit aus und wir haben Bergen eben nicht gesehen.
Als wir die Stadt verlassen haben, parken wir auf einem Parkplatz neben der Autobahn und frühstücken erstmal in Ruhe, damit der Tag wenigstens geordnet weitergehen kann. Es ist der erste bedeckte Tag in Norwegen und es soll ein Fahrtag werden. Nach Tanken und Kloleeren geht’s los, wir durchqueren wieder einen Tunnel nach dem anderen und am Ende des Tages sind wir bei 66 Tunneln seit unserer Ankunft angekommen (+- manchmal verzählt man sich auch mal). Wir fahren ca. 140km bis zu unserer Fähre in Oppedal, die uns in knapp 20 Minuten über den Sognefjord nach Lavik bringt. Von dort fahren wir noch nach Vadheim und machen erstmal ne längere Pause. Eigentlich hatten wir uns diesen Stopp für die Nacht ausgesucht, aber es ist erst kurz nach Mittag und wir können durchaus noch weiterfahren. Aber erstmal muss Jamie seinem Bewegungsdrang freien Lauf lassen und sich auf dem Spielplatz austoben. Wir durchstöbern die Straßenkarten und Stellplatzapps, da es hier in der Region mit Übernachtungsplätzen etwas mau aussieht.
Später legen wir dann wieder los und scheuchen unseren Ludwig nochmal knappe 140km durchs Gebirge und diesmal geht’s richtig hoch. Überall um uns herum bestaunen wir schneebedeckte Berge und zum Fjord runter ist es so steil, dass der Motor nur bedingt mitbremsen kann. 2,5 Stunden später sind wir an unserem ausgesuchten Stellplatz angekommen und genießen die Aussicht auf den Briksdalsbreen, ein Nebenarm des größten Festlandgletschers in Europa, des Jostedalsbreen. Wir haben einen Wasserfall direkt nebenan und Jamie hat bereits fleißig Steine in den Fjord verfrachtet. Es ist ein kleiner Parkplatz direkt an der ruhigen Straße und hier stehen drei Camper/ Wohnmobile aus Deutschland.
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