Montag, 6. Januar 2025

Die Rauhnächte für Eltern kleiner Kinder – ein Balanceakt zwischen Anspruch und Realität

 

Die Rauhnächte haben in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen beziehungsweise sind wieder verstärkt ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Es handelt sich um die Tage zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen, wobei es Abwandlungen und somit verschiedene Zeitpunkte gibt, wo man seine 12 Tage Rückzug und Innenschau beginnt. Wo genau die Ursprünge liegen, kann man heute nicht mehr sagen, aber als sicher gilt, dass es sich um den Übergang vom Mond- zum Sonnenkalender handelt und da der Mondkalender mit 354 Tagen kürzer ist als der Sonnenkalender, bleiben 11 Tage/ 12 Nächte übrig, die als „außerhalb der Zeit“ stehend als Tage des Übergangs angesehen wurden. Diese Tage wurden seit jeher als magisch und geheimnisvoll empfunden und als eine Phase des Innehaltens, des Übergangs und der Besinnung, in der das Alte losgelassen und das Neue begrüßt wird, mit speziellen Ritualen begangen.

Man spricht davon, dass sich die Türen zur Anderswelt in dieser Zeit öffnen und Geister, Ahnen und übernatürliche Wesen leichter in unsere Welt treten können. Daher ist es leichter, Botschaften zum Beispiel in Form von Träumen zu empfangen. Früher, ohne elektrischen Strom, verbrachte man seine Abende generell im Kerzenschein und fühlte sich vielleicht auch der Geisterwelt näher als heute. Das Räuchern diente dem Reinigen des Hauses und dem Vertreiben von bösen Geistern und schlechten Energien.

Es gibt Menschen, die ihre Rauhnächte mit der Wintersonnenwende, dem 21.Dezember beginnen, der längsten Nacht des Jahres. Danach braucht es drei Tage für die Rückkehr des Lichtes und diese drei Tage enden am 24. Dezember. Deswegen beginnt für viele in dieser Nacht die Zeit der Rauhnächte. Es beginnt die Zeit diverser Rituale und Bräuche und hier gibt es keine starren Vorgaben. Jeder sucht sich aus, was ihn am meisten anspricht. Jeder dieser besonderen 12 Tage/ Nächte steht für einen Monat des neuen Jahres und die Theorie besagt, dass die Träume in der Nacht einen wichtigen Bezug haben zum jeweiligen Monat des kommenden Jahres. Also der Traum vom 24./25. Dezember steht für den Januar, der Traum vom 25./26. Dezember für den Februar usw.

Wir wollen hier keine endlose Abhandlung über die Rauhnächte verfassen, denn es gibt zahllose Beiträge zu diesem Thema im Internet, Bücher, begleitete Rauhnächte, Meditationen, ebooks, Workbooks zum Notieren der Gedanken, Träume und anderer Auffälligkeiten. Das Angebot ist groß und jeder darf sich das für ihn passende heraussuchen. Wir wollen hier einen kurzen Abriss darüber geben, wie wunderbar praxisfern die meisten dieser Rituale sind und wie schwierig es ist, die idealisierten Vorgehensweisen in die Praxis des Familienalltags mit einem Fünfjährigen umzusetzen. Das soll die Bedeutung der Rauhnächte für uns nicht schmälern, wir praktizieren sie ja trotzdem, wir wollen aber all denen Mut machen, die es ebenso wenig perfekt hinbekommen wie wir und uns allen trotzdem stolz auf die Schultern klopfen, weil wir uns mit dem kommenden Jahr beschäftigen, über unser Leben nachdenken, Ziele setzen und generell versuchen, in die Stille zu kommen.  

Wie begeht man also die Rauhnächte? Man liest oft, dass man sich einen kleinen Altar erstellen kann, geschmückt mit Kerzen, einer Schale gefüllt mit seinen Wünschen (sofern man das 13 Wünsche Ritual durchführt), einer Schale in der die Wünsche jeden Abend verbrannt werden sowie weiteren Gegenständen, die einem etwas bedeuten (Engelsfiguren, wichtige Steine, Fotos) oder gefundenen Naturalien (Steine, kleine Wurzeln, Muscheln). Hier beginnt bereits das Dilemma. Glückwunsch an alle, die solch eine Stelle in ihrem Heim finden, wo man Dinge ungestört für 12 Tage liegen lassen kann, ohne dass sie mindestens einmal am Tag von kleinen Kinderhänden hinweggefegt werden. Unsere Gläser mit den Wünschen wurden bereits am zweiten Tag durchwühlt, die Feuerschale auf den Kopf gedreht und der Inhalt auf dem Teppich verteilt.

Ähnlich erging es der Räucherschale mit dem Räucherwerk (meist weißer Salbei, Weihrauch oder andere spezielle Kräutermischungen) welche ebenfalls einer äußerst neugierigen Inspektion unterzogen wurde.

Man sagt, dass die Anderswelt besonders über die Träume mit uns kommuniziert und deswegen sind gerade die Träume dieser 12 Nächte ganz besonders wichtig für die Vorbereitung auf das neue Jahr. Idealerweise reflektiert man während des Aufwachens über das nächtlich Erlebte oder sinniert über tiefgründige Fragen, die es einem ermöglichen, über sich, sein Leben, seine Ziele nachzudenken und Wünsche zu manifestieren – idealerweise noch bevor man seine Augen geöffnet hat, denn hier befindet man sich auf der Schwelle zwischen Traumwelt und Realität. Auch ist es die beste Zeit, sich an seine Träume zu erinnern, weil bei vielen die Erinnerungen nach dem Erwachen sehr schnell verblassen. Wie sehnt man sich bei diesen Vorstellungen an ein Leben ohne Kind zurück, wo das Aufwachen tatsächlich eine halbe Ewigkeit dauern durfte und man sich getrost dreimal umdrehte, bevor man die Augen aufschlug. Die Realität sieht zumindest bei uns ganz anders aus, wenn unser Fünfjähriger ins Bett gesprungen kommt und sofort erklärt, dass ihm langweilig sei und er jetzt aufstehen möchte, was natürlich nur in Begleitung eines Erwachsenen geschehen kann (kindliche Logik halt). Wie war das mit der Kontemplation vor dem Erwachen? Oder dem Aufschreiben der Träume in das Tagebuch, welches man sich vorsorglich neben das Bett gelegt hat? Da kann man schon zufrieden sein, wenn das Buch nicht während der schlimmsten Langeweile des Jahrhunderts als Malvorlage verwendet wurde.  

Okay, nächster Versuch. Während des Tages achten wir auf Gedanken, mögliche Hinweise unsere Träume betreffend, plötzliche Eingebungen oder irgendetwas, was vielleicht als Zeichen gedeutet werden könnte, dass uns hier jemand oder etwas Dinge über die Zukunft mitteilen möchte. Wir notieren diese Hinweise und können sie später zusammen mit den Träumen interpretieren oder Rückschlüsse auf den entsprechenden Zeitraum des neuen Jahres ziehen. Am Abend, wenn das Kind endlich im Bett liegt, schaut man auf die leere Tagebuchseite des heutigen Tages und versucht, sich noch krampfhaft an irgendwelche Dinge zu erinnern, die vielleicht als Hinweis interpretiert und notiert werden könnten. Oder Moment mal, war das gestern, als die Nachbarskatze ständig von draußen in unsere Wohnung glotzte? Und hat das irgendwas zu bedeuten? Und wenn ja, was?

Noch so ein toller Vorschlag: Yoga und Meditation können in der Zeit des Übergangs bei der Reflexion helfen. „Durch das Meditieren können Sie sich auf neue Ziele vorbereiten, alte Muster loslassen und sich auf das kommende Jahr einstellen. Nutzen Sie diese Zeit für Selbstreflexion.“ (1). Wann habe ich das letzte Mal Yoga gemacht, wie ging das nochmal? Und Meditation habe ich schon seit Jahren auf meiner „Gute Vorsätze Liste fürs neue Jahr“, was aber nie geklappt hat. Aber dieses Mal wird’s ganz bestimmt, da bin ich sicher…. Gleich nach dem Aufräumen, wenn der Haushalt erledigt ist, und das Traumtagebuch von letzter Nacht geschrieben wurde und ich mir noch einige Zeichen von heute (oder vorgestern) notiert habe und ich nicht erschöpft auf dem Sofa eingeschlafen bin….

Es gibt auch reichlich Aberglaube und urtümliche Ansichten, die mit der heutigen Zeit nicht vereinbar sind und zumindest von uns so nicht praktiziert werden. So sollte während dieser Zeit keine Hausarbeit erledigt und vor allem keine Wäsche gewaschen und aufgehängt werden, weil sich die Dämonen darin verfangen könnten oder die Wäsche stehlen, um sie als Leichentuch für den Besitzer zu verwenden. Okay, Unterwäsche dürfen wir dann waschen, darin kann man schlecht eingewickelt werden, Bettwäsche kann tatsächlich bis nächstes Jahr warten. Ebenfalls für die Dämonen, allerdings für deren Vertreibung, sollen Kerzen im Haus und an den Fenstern aufgestellt werden, aber auch dieser Brauch ist bei uns gestrichen. Nicht nur wegen des Nachwuchses sondern auch, weil wir im Dachgeschoss wohnen und wenig Fensterbretter haben. Hoffentlich nutzen das die Dämonen nicht schamlos aus…. Die Nachbarn haben zu Silvester auch wieder reichlich Lärm veranstaltet, so dass sich die Dämonen hoffentlich spätestens in dieser Nacht so ordentlich erschreckt und verzogen haben.

Wer nach dem Lesen dieser bewusst humorvoll gehaltenen Rückschau auf die vergangenen Rauhnächte Lust verspürt, es beim nächsten Mal auch mal auszuprobieren, hat eine Menge Zeit, sich auf die nächsten 12 Nächte „außerhalb der Zeit“ vorzubereiten. Literatur dazu gibt es reichlich, entweder digital im Internet oder auch in Form von gedruckten Büchern. Die Möglichkeiten der Ausgestaltung der Rauhnächte sind schier unendlich und können flexibel angepasst werden an das individuelle Maß an Engagement, die spirituelle Ausrichtung, die zur Verfügung stehende Zeit, die Bedeutung die man den zu gewinnenden Erkenntnissen beimisst und sind durchaus auch abhängig vom Durchhaltevermögen, der Motivation und Ausdauer der Teilnehmer.

Wer seine Wohnung durch Räuchern von Altem reinigen möchte und die nötigen Utensilien nicht parat hat, darf sich bereits im Vorfeld um die Beschaffung alles Notwendigen kümmern, um nicht in der zweiten Dezemberwoche ganz verschreckt festzustellen, dass ja gar nichts zum Räuchern da ist.

Ansonsten können wir alle Interessierten nur ermutigen, es einfach mal zu probieren. Es kann doch eigentlich nichts schief gehen (außer man hat Kinder – dann bitte den realistischen Erfahrungsbericht von oben beherzigen) und im Idealfall stellt man am Ende des Jahres fest, dass einige der im Tagebuch notierten Hinweise doch irgendwie eingetroffen sind, zu beobachten waren oder in irgendeiner Weise im neuen Jahr unbewusst Berücksichtigung gefunden haben. Im Idealfall hat man sich tatsächlich Dinge zu Herzen genommen, die man sich im Tagebuch von der Seele geschrieben hat; hat Verhaltensweisen gehändert, die man als nicht mehr dienlich und änderungswert definiert hat, hat einen guten Vorsatz in die Tat umgesetzt oder eine schlechte Angewohnheit abgelegt. Es geht nicht darum, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung perfekt in die Tat umzusetzen oder Anleitungen in workbooks fehlerfrei umzusetzen. Seid kreativ, findet Eure eigenen Rituale und Bräuche, tut die Dinge, die für Euch praktikabel sind, Sinn machen und sich gut anfühlen. Niemand wird Euch dafür bestrafen, wenn Ihr Euren eigenen Weg findet und geht. Auch nicht die Dämonen. Diese Innenschau, Selbstreflexion und Neuausrichtung macht Ihr für Euch und nur für Euch!

Als wir das erste Mal die Rauhnächte begangen haben, waren wir sehr nervös, wollten nichts falsch machen, lasen ständig nach, wann wir was wie zu machen haben. Inzwischen lachen wir über Pleiten, Pech und Pannen, schreiben diesen Blogartikel und gehen vor nach dem Prinzip: „fake it until you make it!“ – also vortäuschen bis man es schafft. In diesem Sinne, viel Spaß bei den nächsten Rauhnächten und – ein kleiner Tipp- viel Spaß beim immer mal wieder Lesen des Rauhnachtstagebuchs im laufenden Jahr. Manchmal ist man ganz erstaunt über die Dinge, die man vor ein paar Monaten notiert hat…..


(1) Quelle

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