Die Rauhnächte haben in den letzten Jahren an Beliebtheit
gewonnen beziehungsweise sind wieder verstärkt ins Bewusstsein der Menschen gerückt.
Es handelt sich um die Tage zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen,
wobei es Abwandlungen und somit verschiedene Zeitpunkte gibt, wo man seine 12
Tage Rückzug und Innenschau beginnt. Wo genau die Ursprünge liegen, kann man
heute nicht mehr sagen, aber als sicher gilt, dass es sich um den Übergang vom
Mond- zum Sonnenkalender handelt und da der Mondkalender mit 354 Tagen kürzer
ist als der Sonnenkalender, bleiben 11 Tage/ 12 Nächte übrig, die als „außerhalb
der Zeit“ stehend als Tage des Übergangs angesehen wurden. Diese Tage wurden seit
jeher als magisch und geheimnisvoll empfunden und als eine Phase des
Innehaltens, des Übergangs und der Besinnung, in der das Alte losgelassen und
das Neue begrüßt wird, mit speziellen Ritualen begangen.
Man spricht davon, dass sich die Türen zur Anderswelt in
dieser Zeit öffnen und Geister, Ahnen und übernatürliche Wesen leichter in
unsere Welt treten können. Daher ist es leichter, Botschaften zum Beispiel in
Form von Träumen zu empfangen. Früher, ohne elektrischen Strom, verbrachte man
seine Abende generell im Kerzenschein und fühlte sich vielleicht auch der
Geisterwelt näher als heute. Das Räuchern diente dem Reinigen des Hauses und
dem Vertreiben von bösen Geistern und schlechten Energien.
Es gibt Menschen, die ihre Rauhnächte mit der Wintersonnenwende,
dem 21.Dezember beginnen, der längsten Nacht des Jahres. Danach braucht es drei
Tage für die Rückkehr des Lichtes und diese drei Tage enden am 24. Dezember.
Deswegen beginnt für viele in dieser Nacht die Zeit der Rauhnächte. Es beginnt
die Zeit diverser Rituale und Bräuche und hier gibt es keine starren Vorgaben.
Jeder sucht sich aus, was ihn am meisten anspricht. Jeder dieser besonderen 12 Tage/
Nächte steht für einen Monat des neuen Jahres und die Theorie besagt, dass die
Träume in der Nacht einen wichtigen Bezug haben zum jeweiligen Monat des
kommenden Jahres. Also der Traum vom 24./25. Dezember steht für den Januar, der
Traum vom 25./26. Dezember für den Februar usw.
Wir wollen hier keine endlose Abhandlung über die Rauhnächte
verfassen, denn es gibt zahllose Beiträge zu diesem Thema im Internet, Bücher, begleitete
Rauhnächte, Meditationen, ebooks, Workbooks zum Notieren der Gedanken, Träume
und anderer Auffälligkeiten. Das Angebot ist groß und jeder darf sich das für
ihn passende heraussuchen. Wir wollen hier einen kurzen Abriss darüber geben,
wie wunderbar praxisfern die meisten dieser Rituale sind und wie schwierig es
ist, die idealisierten Vorgehensweisen in die Praxis des Familienalltags mit
einem Fünfjährigen umzusetzen. Das soll die Bedeutung der Rauhnächte für uns
nicht schmälern, wir praktizieren sie ja trotzdem, wir wollen aber all denen
Mut machen, die es ebenso wenig perfekt hinbekommen wie wir und uns allen trotzdem
stolz auf die Schultern klopfen, weil wir uns mit dem kommenden Jahr
beschäftigen, über unser Leben nachdenken, Ziele setzen und generell versuchen,
in die Stille zu kommen.
Wie begeht man also die Rauhnächte? Man liest oft, dass man
sich einen kleinen Altar erstellen kann, geschmückt mit Kerzen, einer Schale
gefüllt mit seinen Wünschen (sofern man das 13 Wünsche Ritual durchführt),
einer Schale in der die Wünsche jeden Abend verbrannt werden sowie weiteren Gegenständen,
die einem etwas bedeuten (Engelsfiguren, wichtige Steine, Fotos) oder gefundenen
Naturalien (Steine, kleine Wurzeln, Muscheln). Hier beginnt bereits das
Dilemma. Glückwunsch an alle, die solch eine Stelle in ihrem Heim finden, wo
man Dinge ungestört für 12 Tage liegen lassen kann, ohne dass sie mindestens
einmal am Tag von kleinen Kinderhänden hinweggefegt werden. Unsere Gläser mit
den Wünschen wurden bereits am zweiten Tag durchwühlt, die Feuerschale auf den
Kopf gedreht und der Inhalt auf dem Teppich verteilt.
Ähnlich erging es der Räucherschale mit dem Räucherwerk
(meist weißer Salbei, Weihrauch oder andere spezielle Kräutermischungen) welche
ebenfalls einer äußerst neugierigen Inspektion unterzogen wurde.
Man sagt, dass die Anderswelt besonders über die Träume mit
uns kommuniziert und deswegen sind gerade die Träume dieser 12 Nächte ganz
besonders wichtig für die Vorbereitung auf das neue Jahr. Idealerweise reflektiert
man während des Aufwachens über das nächtlich Erlebte oder sinniert über
tiefgründige Fragen, die es einem ermöglichen, über sich, sein Leben, seine
Ziele nachzudenken und Wünsche zu manifestieren – idealerweise noch bevor man
seine Augen geöffnet hat, denn hier befindet man sich auf der Schwelle zwischen
Traumwelt und Realität. Auch ist es die beste Zeit, sich an seine Träume zu
erinnern, weil bei vielen die Erinnerungen nach dem Erwachen sehr schnell verblassen.
Wie sehnt man sich bei diesen Vorstellungen an ein Leben ohne Kind zurück, wo das
Aufwachen tatsächlich eine halbe Ewigkeit dauern durfte und man sich getrost
dreimal umdrehte, bevor man die Augen aufschlug. Die Realität sieht zumindest
bei uns ganz anders aus, wenn unser Fünfjähriger ins Bett gesprungen kommt und
sofort erklärt, dass ihm langweilig sei und er jetzt aufstehen möchte, was
natürlich nur in Begleitung eines Erwachsenen geschehen kann (kindliche Logik
halt). Wie war das mit der Kontemplation vor dem Erwachen? Oder dem
Aufschreiben der Träume in das Tagebuch, welches man sich vorsorglich neben das
Bett gelegt hat? Da kann man schon zufrieden sein, wenn das Buch nicht während
der schlimmsten Langeweile des Jahrhunderts als Malvorlage verwendet wurde.
Okay, nächster Versuch. Während des Tages achten wir auf
Gedanken, mögliche Hinweise unsere Träume betreffend, plötzliche Eingebungen
oder irgendetwas, was vielleicht als Zeichen gedeutet werden könnte, dass uns
hier jemand oder etwas Dinge über die Zukunft mitteilen möchte. Wir notieren diese
Hinweise und können sie später zusammen mit den Träumen interpretieren oder
Rückschlüsse auf den entsprechenden Zeitraum des neuen Jahres ziehen. Am Abend,
wenn das Kind endlich im Bett liegt, schaut man auf die leere Tagebuchseite des
heutigen Tages und versucht, sich noch krampfhaft an irgendwelche Dinge zu
erinnern, die vielleicht als Hinweis interpretiert und notiert werden könnten. Oder
Moment mal, war das gestern, als die Nachbarskatze ständig von draußen in
unsere Wohnung glotzte? Und hat das irgendwas zu bedeuten? Und wenn ja, was?
Noch so ein toller Vorschlag: Yoga und Meditation können in
der Zeit des Übergangs bei der Reflexion helfen. „Durch das Meditieren können
Sie sich auf neue Ziele vorbereiten, alte Muster loslassen und sich auf das
kommende Jahr einstellen. Nutzen Sie diese Zeit für Selbstreflexion.“ (1).
Wann habe ich das letzte Mal Yoga gemacht, wie ging das nochmal? Und Meditation
habe ich schon seit Jahren auf meiner „Gute Vorsätze Liste fürs neue Jahr“, was
aber nie geklappt hat. Aber dieses Mal wird’s ganz bestimmt, da bin ich sicher….
Gleich nach dem Aufräumen, wenn der Haushalt erledigt ist, und das
Traumtagebuch von letzter Nacht geschrieben wurde und ich mir noch einige
Zeichen von heute (oder vorgestern) notiert habe und ich nicht erschöpft auf
dem Sofa eingeschlafen bin….
Es gibt auch reichlich Aberglaube und urtümliche Ansichten,
die mit der heutigen Zeit nicht vereinbar sind und zumindest von uns so nicht
praktiziert werden. So sollte während dieser Zeit keine Hausarbeit erledigt und
vor allem keine Wäsche gewaschen und aufgehängt werden, weil sich die Dämonen
darin verfangen könnten oder die Wäsche stehlen, um sie als Leichentuch für den
Besitzer zu verwenden. Okay, Unterwäsche dürfen wir dann waschen, darin kann man
schlecht eingewickelt werden, Bettwäsche kann tatsächlich bis nächstes Jahr
warten. Ebenfalls für die Dämonen, allerdings für deren Vertreibung, sollen
Kerzen im Haus und an den Fenstern aufgestellt werden, aber auch dieser Brauch
ist bei uns gestrichen. Nicht nur wegen des Nachwuchses sondern auch, weil wir
im Dachgeschoss wohnen und wenig Fensterbretter haben. Hoffentlich nutzen das
die Dämonen nicht schamlos aus…. Die Nachbarn haben zu Silvester auch wieder
reichlich Lärm veranstaltet, so dass sich die Dämonen hoffentlich spätestens in
dieser Nacht so ordentlich erschreckt und verzogen haben.
Wer nach dem Lesen dieser bewusst humorvoll gehaltenen
Rückschau auf die vergangenen Rauhnächte Lust verspürt, es beim nächsten Mal
auch mal auszuprobieren, hat eine Menge Zeit, sich auf die nächsten 12 Nächte „außerhalb
der Zeit“ vorzubereiten. Literatur dazu gibt es reichlich, entweder digital im
Internet oder auch in Form von gedruckten Büchern. Die Möglichkeiten der
Ausgestaltung der Rauhnächte sind schier unendlich und können flexibel
angepasst werden an das individuelle Maß an Engagement, die spirituelle
Ausrichtung, die zur Verfügung stehende Zeit, die Bedeutung die man den zu
gewinnenden Erkenntnissen beimisst und sind durchaus auch abhängig vom
Durchhaltevermögen, der Motivation und Ausdauer der Teilnehmer.
Wer seine Wohnung durch Räuchern von Altem reinigen möchte
und die nötigen Utensilien nicht parat hat, darf sich bereits im Vorfeld um die
Beschaffung alles Notwendigen kümmern, um nicht in der zweiten Dezemberwoche
ganz verschreckt festzustellen, dass ja gar nichts zum Räuchern da ist.
Ansonsten können wir alle Interessierten nur ermutigen, es
einfach mal zu probieren. Es kann doch eigentlich nichts schief gehen (außer
man hat Kinder – dann bitte den realistischen Erfahrungsbericht von oben
beherzigen) und im Idealfall stellt man am Ende des Jahres fest, dass einige
der im Tagebuch notierten Hinweise doch irgendwie eingetroffen sind, zu
beobachten waren oder in irgendeiner Weise im neuen Jahr unbewusst Berücksichtigung
gefunden haben. Im Idealfall hat man sich tatsächlich Dinge zu Herzen genommen,
die man sich im Tagebuch von der Seele geschrieben hat; hat Verhaltensweisen
gehändert, die man als nicht mehr dienlich und änderungswert definiert hat, hat
einen guten Vorsatz in die Tat umgesetzt oder eine schlechte Angewohnheit
abgelegt. Es geht nicht darum, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung perfekt in
die Tat umzusetzen oder Anleitungen in workbooks fehlerfrei umzusetzen. Seid
kreativ, findet Eure eigenen Rituale und Bräuche, tut die Dinge, die für Euch
praktikabel sind, Sinn machen und sich gut anfühlen. Niemand wird Euch dafür
bestrafen, wenn Ihr Euren eigenen Weg findet und geht. Auch nicht die Dämonen.
Diese Innenschau, Selbstreflexion und Neuausrichtung macht Ihr für Euch und nur
für Euch!
Als wir das erste Mal die Rauhnächte begangen haben, waren
wir sehr nervös, wollten nichts falsch machen, lasen ständig nach, wann wir was
wie zu machen haben. Inzwischen lachen wir über Pleiten, Pech und Pannen,
schreiben diesen Blogartikel und gehen vor nach dem Prinzip: „fake it until you
make it!“ – also vortäuschen bis man es schafft. In diesem Sinne, viel Spaß bei
den nächsten Rauhnächten und – ein kleiner Tipp- viel Spaß beim immer mal
wieder Lesen des Rauhnachtstagebuchs im laufenden Jahr. Manchmal ist man ganz
erstaunt über die Dinge, die man vor ein paar Monaten notiert hat…..
(1) Quelle
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